Warum Großbritannien seine Klimaziele erreicht und dadurch neue Industrien schafft – und warum Deutschland hinterherhinkt:
Das inspirierende Beispiel der Climate Change Committee.

Deutschland hat mit drei großen Herausforderungen zu kämpfen: Erstens stehen seine lang etablierten Kernindustrien, wie zum Beispiel die Automobil- und Chemieindustrie, stark unter Druck. Zweitens verfügt Deutschland über kein marktführendes IT Unternehmen. Und drittens – und das ist vielleicht die größte Überraschung – haben deutsche Unternehmen ausgerechnet in den Umweltindustrien, in denen sie einst führend waren, ihre Marktführerschaft verloren.

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Oktober 2021

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Warum Großbritannien seine Klimaziele erreicht und dadurch neue Industrien schafft – und warum Deutschland hinterherhinkt:
Das inspirierende Beispiel der Climate Change Committee.

Deutschland hat mit drei großen Herausforderungen zu kämpfen: Erstens stehen seine lang etablierten Kernindustrien, wie zum Beispiel die Automobil- und Chemieindustrie, stark unter Druck. Zweitens verfügt Deutschland über kein marktführendes IT Unternehmen. Und drittens – und das ist vielleicht die größte Überraschung – haben deutsche Unternehmen ausgerechnet in den Umweltindustrien, in denen sie einst führend waren, ihre Marktführerschaft verloren.

Zögerliche Deutschen und entschlossene Briten

Unterdessen bringt sich jenseits des Ärmelkanals Großbritannien mit dort entwickelten, neuen Umwelttechnologien in Stellung. Wie konnte es dazu kommen? Die Antwort auf diese Frage stellt alle bundesdeutschen Gewissheiten auf den Kopf: Eine zögerliche deutsche Volkswirtschaft steht einer britischen gegenüber, die entschlossen die politischen Rahmenbedingungen dafür geschaffen hat, um Umwelt- und Klimaschutztechnologien als den vielleicht wichtigsten Industriemarkt der Zukunft zu etablieren.

Dementsprechend hat das Thema Klima in Großbritannien schon vor der Jahrtausendwende eine große Rolle gespielt. Premierminister Tony Blair (Amtszeit 1997–2007) war einer der ersten führenden Politiker, die eine internationale Einigung auf eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf maximal 2°C anstrebten. Deutschland war in der Zeit von Bundeskanzler Helmut Kohl (Amtszeit 1982–1998) noch nicht so weit. Generell kann man sagen, dass Inselstaaten und Staaten mit viel niedrig liegendem Flachland die Ernsthaftigkeit des Klimaproblems früher wahrgenommen haben als Kontinentalstaaten.

Doch Großbritanniens Vorsprung bei Klimaschutz und grünem Wachstum hat aber vor allem einen anderen, systematischen Grund. Schon 2008 wurde entschieden, das große Zukunftsthema Klima vor die (partei-)politische Klammer zu ziehen. Durch die Einsetzung des damals geschaffenen Committee on Climate Change (CCC) gelang es, der unablässigen parteipolitischen Aufladung und dem zwischenparteilichen Zwist in der Klimapolitik einen effektiven Riegel vorzuschieben.

Deutschland: Klimapolitik auf kleinstem Nenner

Das ist eine strukturelle Schwäche, an der die bundesdeutsche Klimapolitik bis zum heutigen Tag leidet. In Deutschland bedarf es, wie wir im März 2021 erlebten, des Bundesverfassungsgerichts (!), um die Politik an ihre Pflicht zur intergenerationellen Gerechtigkeit durch angemessenen Klimaschutz zu erinnern. Mit einer Klimaschutzkommission nach britischem Vorbild wäre Deutschland diese (Selbst-) Beschämung wohl erspart geblieben.

Doch damit nicht genug: In Deutschland hat es nach 2005, also dem Ende der rotgrünen Koalition unter Gerhard Schröder, eine Verlangsamung im klimapolitischen Fortschritt gegeben. Dabei spielten insbesondere die ostdeutschen Bundesländer eine Bremserrolle. Für Sachsen und Brandenburg war der Braunkohleabbau eine der wichtigsten Einnahmequellen. Auch das Ende 2019 beschlossene – und als Reaktion auf das BVerfG-Urteil vor kurzem nochmals nachgeschärfte – Klimapaket ist trotz einiger Nachbesserungen im Bundesrat weder progressiv noch effektiv.

Seit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (1994), der ersten Öko- oder Energiesteuer (1999, zuletzt angepasst 2003) und dem Erneuerbare Energiengesetz (EEG, 2000) wartet die Welt seit fast zwanzig Jahren vergebens auf klimapolitische Impulse aus Deutschland. Es waren dieselben 20 Jahre, die Klimaschutz von einer Option zum politischen Imperativ und Umweltschutz von einem Kostenfaktor zum Jahrhundertmarkt machten.

Klimapolitik als Chance: Großbritannien, Finnland, Niederlande und Dänemark

Unterdessen haben andere Länder – neben Großbritannien auch Finnland, die Niederlande und Dänemark – die wirtschaftlichen Chancen einer erfolgreichen Klimapolitik ihrerseits längst verstanden und Deutschland den Schneid abgekauft. Es ist aus deutscher Sicht also höchste Zeit, dass sich Deutschland – auch um der eigenen Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten willen – wieder mit an die Spitze setzen sollte. Wie damals bei der Frühphase der Umweltpolitik.

Die entscheidende Frage lautet: Lässt sich das Blatt noch wenden? Das könnte in der Tat der Fall sein, wenn sich die deutsche Politik entschließen würde, den Fuß von der Bremse zu nehmen, an alte deutsche Tugenden in der Ordnungspolitik anzuknüpfen und eine langfristig und systematisch angelegte Klimapolitik zu verfolgen.

Ausgerechnet Großbritannien?

Dass ausgerechnet Großbritannien hierfür als Vorbild dienen könnte, ist ein passender Weckruf. Die Briten mögen sich in Sachen Brexit innengewandt präsentiert haben, doch beim Thema Bewältigung des Klimawandels ist es ihnen gelungen, das Klimathema in das umzuformen, was es im Kern ist: Eine langfristig angelegte, komplexe Managementaufgabe, die innerhalb eines vorgegebenen Rahmens mit der gebotenen Flexibilität, Transparenz und Berechenbarkeit zu lösen ist.

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